Analyse 5

Analyse der Publikation: Komplikationen und Folgeschäden nach Disk-Implantationen | Falschgutachter

Betreffend den Autor: Prof. Dr. D. B. , Deutschland

Analysierte und für überwiegend falsch befundene Publikation:
«Komplikationen und Folgeschäden nach Disk-Implantationen»
Zeitschrift für zahnärztliche Implantologie (ZZI) 2006; 22 (3); 218 ff

Der Deutsche Arzteverlag  (DAeV) hat betreffend der hier analysierten Publikation eine vollumfängliche Unterlassungserklärung abgegeben und sich verpflichtet, die Falschpublikation nicht mehr zu verbreiten.

Ergebnis der Analyse

Nr. Prüfkriterien Ja / Nein / nicht anwendbar (n. a.)
1 Gutachten im echten Kern-Fachgebiet? Nein
2 Streitige Sachverhalte gewertet? n. a.
3 Reine Rechtsfragen unbeachtet? n. a.
4 Fremde Methoden aus Methodensicht gewürdigt? Nein
5 Tatsachenlücken offen gelassen?
Hier: Art der zuvor verlorenen Implantate waren dem Gutachter nicht bekannt; er hat den Sachverhalt somit frei erfunden; das Gutachten wurde von einem anderen Gutachten abgeschrieben, ohne dass der Patient untersucht worden wäre. Der "Erstgutachter" hatte den Patienten ebenfalls nie selber gesehen und dennoch ein Gutachten geschrieben.
Nein
6 Berücksichtigung der Originaldokumentation? (der Patient 1 wurde nicht einmal untersucht) Nein
7 Bewertung von einseitigen Behauptungen? (Art der herausgefallenen Implantate, Fall 1) ;Ja
8 Bezahlte Tätigkeit für/Abhängigkeit von einer der Prozessparteien? n.a.
9 Werden Angaben zur Rücksichtnahmen und Abhängigkeiten gemacht? (Jahrelange Tätigkeit für die konkurrierenden  Industrie ) Nein
10 Literaturangaben ausreichend angegeben? Nein
11 Kriterien der rechtlichen Beurteilung korrekt (sofern diese zulässig ist;) ?
Betreffend:  ……………………
n. a.
12 Bezahlung des Gutachtens aus unabhängiger Quelle? n. a.
13 Liegt Systemkenntnis vor? Nein
14 Selbst durchgeführte Operationen oder Behandlungen? Nein (keine)
15 Bereits qualifizierte Gutachten zur Methode ausgeführt? Nein
16 Gutachten stimmt mit der eigenen Lehraussage überein? Ja
17 Gutachten stimmt mit anderen Lehraussagen  überein? Nein
18 Frei von Drittmittelbezügen aus dem Bereich der direkten Mitbewerber? Nein
19 Steht in Beziehung zum Nachbehandler oder war selber Nachbehandler? Ja

Skala der ethischen Vertretbarkeit*

                                     

* weisse Felder = nicht anwendbar / grüne Felder = unbedenklich / rote Felder = bedenklich

In der Zeitschrift für Zahnärztliche Implantologie wurden Publikationen lanciert, die die angeblichen Nachteile von  BOI®-Implantaten "beweisen" sollten.  Wie die nachfolgende Analyse eines dieser Artikel zeigt,  handelt es sich bei den Fallberichten um unrichtig und unvollständig  zusammengestückelte Fragmente, die noch dazu von nicht für das in Frage stehende Behandlungsverfahren ausgebildeten Fachpersonen erstellt wurden. Nachfolgend werden die Behandlungsberichte kommentiert.

Zu Fall 1

  1. Zunächst muss festgestellt werden, dass die im Unterkiefer eingebrachten BOI®-Implantate erkennbar zu hoch eingesetzt wurden. In dieser Region des Kiefers sollen BOI®-Implantate im Auslauf oder unter der weiß auf dem Röntgenbild erkennbaren Linea obliqua des Unterkiefers eingebracht werden, da nur dort basaler (resorptionssicherer) Knochen vorliegt. Die Konsequenz einer zu hohen Insertion ist oft die Resorption des periimplantären Knochens durch relative Überbelastung. Eine  Infektion tritt zumeist erst sekundär hinzu. Die alveolären Knochenbereiche sind im Verhältnis zu den basalen Knochenbereichen geringer resorptionssicher und sie tendieren nicht in dem Maße zur Remineralisation wie basale Knochenbereiche. Weiterhin ist anzumerken, dass die gewählten Scheibendurchmesser etwas unterdimensioniert sind. In der Region des unteren linken 2. Backenzahnes kann der  gewählte Durchmesser noch akzeptiert werden, jedoch in der Region des unteren rechten 2. Backenzahnes ist eine bicortikale Verankerung wie für BOI®-Systeme notwendig mit einem Implantat des Durchmessers, wie wir schätzen 7mm (z.B. EDS 7 G6) kaum zu erreichen, somit ist die Verankerung als potentiell insuffizient zu beurteilen. Hätte der Behandler die ohne weiteres mögliche basale Abstützung realisiert, so wären prognostisch günstigere basale Implantat-Scheibendurchmesser von 9-12 mm wohl möglich gewesen.
  2. Die Autoren berichten jedoch nicht, dass der Patient deswegen mit BOI®-Implantaten im Oberkiefer versorgt wurde, weil ihm alle zuvor eingesetzten Schraubenimplantate heraus gefallen waren. (Abb1: die Erstversorgung des Oberkiefers). Diese Implantate lockerten sich und nicht das inkriminierte System. Es kam bei diesen Implantaten zu Entzündungen und alle Implantate mussten entfernt werden bzw. fielen von alleine heraus. Für eine nochmalige Versorgung mit Schraubenimplantaten fehlte der Knochen, zumal es zu den für Schraubenimplantate typischen kraterförmigen Knochenverlusten und zu massiven Granulationen im Knochen gekommen war. Der Oberkiefer konnte aus diesem Grund mit herkömmlichen Schraubenimplantaten ohne umfangreiche Augmentation nicht mehr versorgt werden. Der Patient lehnte aufgrund seiner schlechten Erfahrungen mit Schraubenimplantaten die nun mögliche weitere Behandlungsalternative Beckenkammtransplantation plus neue Schraubenimplantate ab. Es wäre journalistisch und medizinisch korrekt und notwendig gewesen, den Lesern gerade auch von dem vorhergehenden Verlust von Schraubenimplantaten bei diesem Patienten zu berichten. Denn die Destruktionen der erfolglosen Schraubenimplantation waren zum Zeitpunkt der BOI®-Implantation noch vorhanden und hätten es kaum erlaubt, ohne umständliche Augmentation (Knochenaufbau) eine nochmalige und sofortige Versorgung des Oberkiefers vorzunehmen. Zudem hätte berichtet werden müssen, dass der Patient sich als nicht bereitwillig erwies, die Okklusions- und Hygienekontrollen einzuhalten und er zudem Kettenraucher war. Die Behauptung, dass zwei Diskimplantate mit der abnehmbaren Suprastruktur vom Patienten selbst entfernt wurden, ist von Tetsch & Tetsch frei erfunden. Sie stimmt nicht. Ebenfalls aus der Luft gegriffen ist die Behauptung, dass Knochenabbauvorgänge an allen Diskimplantaten vorgelegen hätten. Richtig ist, dass alle Oberkiefer-Implantate gut integriert sind, und dass sich der Knochen entlang der kraterförmigen Einbrüche im Bereich der verlorenen Schraubenimplantate erst langsam wieder in Richtung auf die Crista Alveolaris (Kieferkamm) des Oberkiefers entwickelt. Die Tatsache, dass vier von acht Schraubenimplantaten verloren gegangen sind (Verlustrate: 50%) wurde dem Leser vorenthalten. Vor dem Hintergrund der hier geschilderten Tatsachen sind die wertenden Ausführungen der Autoren jedoch so nicht haltbar.
  3. Gemäß dem «Konsensus zu BOI®» (Abgedruckt in: Schweiz. Monatsschr. Zahnm. 109: 971-972) kann dem Röntgenbild gemäß Abbildung 2 (Seite 220, Artikel Tetsch) keine Indikation zur Implantatentfernung im Oberkiefer entnommen werden. Sofern es zu Lockerungen einzelner BOI®-Implantate gekommen sein sollte (was aber gar nicht der Fall war, - die Implantate sind bis heute funktionstüchtig und in Situ), so wäre es der richtige therapeutische Weg gewesen, beispielsweise weitere BOI®-, BCS, oder TPG®- Implantate hinzusetzen. Andere Implantatformen waren angesichts der Vorgeschichte und der Knochenverhältnisse ohnehin kaum unmittelbar einsetzbar. Sehr einfach wäre die Realisierung einer zusätzlichen Abstützung im distalen Oberkiefer, z.B. mit weiteren BOI®- oder TPG-Implantaten in Sofortbelastung möglich. Eine weitere Behandlungsalternative zur Förderung der periimplantären Remineralisation wäre die Reduktion der Kaukraft bei gleichzeitiger Reoccludierung.
  4. Besonders pikant ist allerdings die persönliche Verwicklung der Autoren der Publikation in den Behandlungsfall: sie waren als Privatgutachter tätig und wollten wohl in erster Linie an der Nachbehandlung verdienen, indem sie, unter Ausnutzung des trägen Rechtssystems, den Patienten verunsicherten und aus der Behandlung ausklinkten und einen Haftungsfall konstruierten. Die nähere Untersuchung des Falles hatte daraufhin jedoch ergeben, dass die BOI®-Implantate im Oberkiefer gut osseointegriert waren und eine gute Prognose hatten: der Patient trägt sie bis heute. Um allerdings feststellen zu können, ob die Implantate integriert waren, wurde auf Empfehlung der Autoren die bisherige Brücke entfernt und dabei zerstört. Dieser Eingriff war völlig unnötig, da ein ausgebildeter BOI®-Anwender eine korrekte Diagnostik auch ohne die Brückenentfernung hätte vornehmen können (siehe oben: Konsensus zu BOI®).   Der Gutachter war jedoch für diesen Eingriff nicht hinreichend ausgebildet, was er dem Patienten verschwiegen hatte.
  5. Was nun die weitere Versorgung des Unterkiefers anbetrifft, so wäre hier auch das einfache Belassen der gekürzten Unterkiefer-Brücke möglich gewesen. Zusätzliche Implantate im distalen Unterkiefer einzusetzen, dürfte so lange nicht nötig sein, wie die Schraubenimplantate halten.
  6. Zusammenfassend lässt sich noch festhalten, dass durch die Autoren dem Patienten nicht indizierte Eingriffe (Brückenentfernung) angeraten wurden und wegen der einfachen Lockerung zweier BOI®-Implantate einen unnötigen Rechtsfall ausgelöst haben. Dieses Verhalten ist weder dem Patienten gegenüber zweckdienlich noch kollegial. Die Autoren haben es ferner unterlassen, sowohl in der Publikation, als auch vor dem Patienten offen zu legen, dass sie für die Anwendung der hier diskutierten Medizinprodukte nicht ausgebildet sind und keine gültige Herstellerautorisation besitzen.
  7. Die Abbildung 1 der hier untersuchten Publikation ist ebenfalls mangelhaft: BOI®-Implantate werden grundsätzlich (bi)cortikal bzw. transossär eingesetzt. Die richtige Insertionstechnik zeigt die Abbildung 2 a dieses Artikels.

Zu Fall 2

  1. Wie auf der computertomografischen Übersichtsaufnahme (Abb.5 der ZZI-Publikation) zu erkennen ist, sind die Implantate in der Region 13 und 23 zumindest im dargestellten Schichtbereich nicht auf der palatinalen Kortikalis abgestützt. Die Implantate wurden also eventuell nicht sachgerecht eingebracht, weswegen es nicht zur geplanten und vorgesehenen kortikalen Kraftübertragung kommen konnte. Die Abstützung nur in der vestibulären Kortikalis ist dann oft nicht ausreichend, wenn die Konterabstützung nicht realisiert werden kann. Die spongiösen Knochenanteile des Oberkiefers alleine besitzen keine für die Sofortbelastung von Implantaten sicher verwertbaren Kraftübertragungseigenschaften. Ob das Implantat in der Region 17 palatinal in der Kortikalis abgestützt war ist ebenfalls fraglich. Das Implantat in der Region 23 ist definitiv unterdimensioniert gewählt. Es handelt sich um ein französisches "Diskimplant®" mit einem Scheibendurchmesser von 5mm und nur zwei Scheiben. Diese Art eines lateralen Implantats ist für die Einbringung in der strategisch wichtigen Position des oberen Eckzahns weniger geeignet. Günstiger sind beispielsweise Tripple-BOI® mit einem Scheibendurchmesser von mindestens 7mm oder doppelscheibige BOI®-Implantate mit großem  Scheibenabstand, z.B. (E)XDDS 12/9.
  2. Da also zwei von sechs eingesetzten Implantaten nicht fachgerecht eingebracht worden waren, war auch nicht zu erwarten, dass eine brauchbare Statik für den Oberkiefer erstellt werden konnte. In der Folge kam es vermutlich zu Folgeschäden auch der fachgerecht eingebrachten Implantate und nachfolgend, aufgrund der enormen Hebelkräfte, zu Frakturen an einzelnen Implantaten. Die frakturierten Implantate dürften jedoch sehr gut osseointegriert gewesen sein, da sie ansonsten gar nicht hätten frakturieren können.
  3. Wie hätte das richtige behandlerische Vorgehen beim Auftreten von Problemen in dieser Situation ausgesehen: zunächst wäre es erforderlich gewesen, die nicht korrekt eingebrachten Implantate durch passendere BOI®-Implantate zu ersetzen. Hierbei hätte der cranial zur Verfügung stehende, basale Knochen ausgenutzt werden müssen. Zur knochenschonenden Entfernung von BOI®-Implantaten stehen ausgebildeten Anwendern vier verschiedene knochenschonende Operations-Verfahren  zur Verfügung. Diese Standard-Verfahren erlauben es im Regelfall (und bei rechtzeitigem Eingreifen), das problematische Implantat zu entfernen und zugleich ein neues BOI®-Implantat einzusetzen. Nur ein solches Vorgehen liegt auch im Interesse des Patienten, der durchaus erwarten kann, dass eine neue Versorgung wieder systemkonform und in Sofortbelastung durchgeführt wird.
  4. Die Autoren zeigen zwar ein Röntgenbild mit den nachfolgend eingebrachten Schraubenimplantaten (Abb.8), jedoch keine fertige Versorgung des Oberkiefers. Ob also die von Tetsch & Tetsch vorgenommene Versorgung erfolgreich war, ist nach wie vor unklar. Von daher verbietet es sich, - zumal im Rahmen einer hier auf Einzelfällen basierenden Diskussion-, auch nur zu implizieren, dass die Schraubenimplantation der Autoren die bessere Alternative für diesen Patienten gewesen sei. Solche Ausführungen wären allenfalls angebracht, wenn die Alternativversorgung tatsächlich fertig gestellt und einige Jahre erfolgreich im Munde gehalten hätte.
  5. Klar ist, dass sich die beim gleichen Patienten eingesetzte Unterkieferversorgung auf 7 BOI®-Implantaten perfekt eingeheilt darstellt. (Abb. 8). Dies haben die Autoren offenbar übersehen.
  6. Unklar bleibt, warum alle Implantate im Oberkiefer entfernt wurden, da zumindest die Implantate in der Region 14 und 27 gut integriert waren (Abb. 5). Ebenfalls unklar ist, warum nicht die geplante und vom Patienten gewünschte Therapie fortgesetzt wurde. So hätten problemlos die Implantate in der Region 13 und 23 ersetzt werden können (Abb.6) und ein versierter BOI®-Implantologe hätte ohne weiteres cranial der Entnahmestelle eine oder zwei neue Basisscheiben einbringen können. So wären dem Patienten der Knochenaufbau und die monatelange Prothesenversorgung des Oberkiefers erspart geblieben. Offenbar verfügten die Nachbehandler nicht über die notwendigen Kenntnisse, die nötigen Werkzeuge und Implantate um, in einem geplanten, fachgerechten und seriösen Korrektureingriff die Probleme zu beheben. Wohl deswegen wurde der Patient einer unnötigen Knochenaufbau-Prozedur unterworfen. Dass die Prozedur toleriert wurde dürfte damit zusammen hängen, dass man im Rahmen einer unrichtigen und unvollständigen Aufklärung dem Patienten vorgegaukelt hat, dass es "anders nicht ginge". Unvollständige Aufklärungen sind jedoch nicht rechtswirksam.

Zu Fall 3

Wie die Abbildung 9 der hier analysierten Publikation gut erkennen lässt, bestehen an dem in die Konstruktion mit einbezogenen Eckzahn osteolytische Prozesse, was auf eine Fraktur oder eine massive Lockerung des Zahnes hindeutet. Vermutlich wäre es von Anfang an günstiger gewesen, diesen Zahn zu entfernen oder zumindest nicht in die Versorgung mit einzubeziehen. Es ist daher davon auszugehen, dass ursächlich durch Probleme am Eckzahn die Stabilität der Brücke und nachfolgend auch  die Festigkeit der Implantate gelitten hat: Lockerungen im Sinne einer Überlastungsosteolyse sind die logische Folge. Bleibt dieser Zustand unbehandelt, so können sich die Implantate komplett destabilisieren und sie müssen ausgewechselt werden. Dies ist im vorliegenden Fall offenbar nicht rechtzeitig erfolgt, weswegen sich entlang der Gewindeträger der beteiligten BOI®-Implantate eine Inokkulation von oralen Bakterien bis hin zur Kieferhöhle ergab. Nach Entfernung der Implantate klang diese Entzündung von alleine ab.

Wie wäre das richtige Vorgehen beim Auftreten der Probleme an Zahn 23 gewesen:
Zunächst einmal hätte der Zahn 23 entfernt werden können und man hätte diesen Zahn zeitgleich durch ein BOI®-Implantat ersetzen können (Abb. 4). Zugleich hätte durch das Hinzusetzen einer sofort belastbaren Kompressionsschraube (z.B. KOS®-Implantat) in der Region 24 zusätzliche Stabilität geschaffen werden können. So hätte man den Patienten zügig, minimalinvasiv und kostengünstig neu versorgen können.

Von den Nachbehandlern wurden, offenbar nach Wartezeit, in der Region 23 und 24 zwei schraubenförmige Implantatkörper eingebracht, wobei der distale Oberkiefer implantologisch unversorgt blieb. Dies, obgleich sich auf der Röntgenaufnahme gemäß Abb. 10 der hier untersuchten Publikation noch ausreichende Mengen von Knochen im distalen Oberkiefer darstellen, die jederzeit eine Neuimplantation mit BOI®- und BCS-Implantaten ermöglichen würden. Die bisherigen Behandlungsmaßnahmen der Nachbehandler sind nicht im Ansatz dazu geeignet, eine ausgeglichene Mastikationsfunktion wieder her zu stellen. Die Planung und Durchführung der Nachbehandlung muss schon aus diesem Grunde als mangelhaft bezeichnet werden. Daneben ist unklar, ob die Nachbehandlung überhaupt jemals einen klinischen Nutzen für den Patienten haben wird, da die eingesetzten Implantate ja noch gar nicht prothetisch versorgt wurden und ihre Integration ungewiss ist. Den Beweis, dass die von den Nachbehandlern durchgeführte Behandlung wirklich erfolgreich(er) war, bleiben die Autoren also auch in diesem Falle schuldig.

Nebenbei sei bemerkt, dass prinzipiell eine sofortige prothetische Neuversorgung (wie oben geschildert) des 2. Quadranten nötig gewesen wäre, um Überlastungen der implantologischen Versorgungen im 1. Quadranten zu vermeiden. Diesen wichtigen Punkt haben die Nachbehandler offenbar völlig übersehen. Durch die unqualifizierte Nachbehandlung gefährden die Nachbehandler die Gesundheit des betroffenen Patienten und setzen sich  in unnötiger Weise einer rechtlichen Verfolgung aus. Die Motive dieses ärztlich nicht vertretbaren Handelns sind unklar.

Schlussbetrachtung

Die basale Implantologie wurde im Laufe der letzten 10-15 Jahren aus Vorläufer-Produkten (T3D – Julliet) vorwiegend von Privatpraktikern weiter entwickelt. Das Ziel war dabei stets, den Patienten umständliche und riskante Knochenaufbau-Eingriffe zu ersparen. Zugleich ermöglichen BOI®-Implantate eine sichere Sofortbelastung in fast allen Behandlungsfällen. Es ist verständlich und unbestritten, dass im Rahmen der Entwicklung dieser Behandlungstechnologie auch Behandlungen durchgeführt wurden, die nicht dem heutigen Wissensstand und dem heutigen Standard der BOI®-Implantologie entsprechen. Das Verfahren und die Anwender haben - wie die crestale Implantologie auch- eine Lernphase durchmachen müssen. Es liegen heute jedoch zahlreiche wissenschaftliche Publikationen vor, die den Langzeit-Erfolg des Verfahrens absichern.

Jährlich erwerben derzeit ca. 40 Implantologen das Universitätsdiplom für basale Implantologie. Diese Ausbildung trägt dazu bei, hohe Qualitätsstandards abzusichern. BOI®-Implantate werden nur an speziell ausgebildete Anwender abgegeben, was einerseits die Sicherheit im Umgang mit diesem Medizinprodukt erhöht, andererseits aber auch einen großen Wettbewerbsvorteil für diese Kollegen darstellt. Denn nur sie sind dazu in der Lage, die von den Patienten gewünschte Sofortbelastung in fast allen Fällen zu realisieren und zugleich Knochenaufbau-Maßnahmen zu ersparen. Der Technologie-Vorsprung der BOI®-Implantologie ist von daher enorm. Dies mag einer der Gründe für die Diskussionen sein, die die Anwender konkurrierender Verfahren gerne auslösen.

Die größte Gefahr für BOI®-Patienten besteht heute in der unqualifizierten Nachbehandlung durch nicht ausgebildete Zahnärzte und Chirurgen. Schäden haben diese Patienten dann zu erwarten, wenn bei Komplikationen zu spät und falsch reagiert wird. Typischer Weise verschweigen vor allem Nachbehandler gegenüber den betroffenen Patienten ihre fehlende Ausbildung und mangelnde Qualifikation sowie die (betreffend die BOI®-Weiterbehandlungen) mangelhafte Ausrüstung ihrer Praxen und Kliniken. Wie der hier analysierte Artikel von Tetsch & Tetsch zeigt, schrecken manche Kollegen selbst davor nicht zurück, über Dinge zu publizieren, die sie nicht einmal gelernt haben und die sie frei erfunden haben. Die Krankengeschichten werden nicht nur unvollständig, sondern sogar glatt falsch dargestellt. Falsche Publikationen werden jedoch nicht von der Wissenschaftsfreiheit geschützt.

Für den Zahnarzt ist es aus unserer Sicht wichtig zu wissen, dass gerade im implantologischen Komplikationsfall eine Behandlung mit BOI®-Implantaten aufgrund der günstigen Implantatgeometrie im Regelfall immer möglich ist. Dies gerade auch in den Fällen, bei denen schon lange nicht mehr mit herkömmlichen Schraubenimplantaten therapiert werden könnte oder ein invasiver Knochenaufbau zusätzlich nötig wäre. Hierüber muss jeder Patient heute aufgeklärt werden.

Mit dieser Publikation möchten wir aufzeigen, dass die Weiterbehandlungsmöglichkeiten im Komplikationsfalle sehr umfangreich sind, dass aber hierfür spezielle Kenntnisse, Werkzeuge und vor allem basale Implantate nötig sind.  
Über die Motive der Autoren, die die Realität falsch wiedergeben, und fragwürdige Behandlungen als notwendig darstellen, kann nur spekuliert werden: zum einen könnte es den Autoren darum gehen, die eigenen, zunehmend veralteten Methoden zu verbreiten und am Leben zu erhalten. Andererseits könnten Drittmittelabhängigkeit oder schlicht das private Engagement in Aktien namhafter Implantathersteller eine gewisse Rolle spielen.

Danksagungen

Diese Analyse wurde finanziell unterstützt von der International Implant Foundation. Wir bedanken uns bei den Erstbehandlern für die freundliche Überlassung der anonymisierten Behandlungsunterlagen. Den Autoren des analysierten Berichts (Tetsch & Tetsch) wurde vor Fertigstellung dieser Publikation mehrfach die Gelegenheit gegeben, den Artikel gegenzulesen und etwaige Richtigstellungen anzubringen. Sie haben zu dieser Analyse geschwiegen und sind der Aufforderung, den Sachverhalt richtig zu stellen, nicht nachgekommen.

Abbildungen

Abb. 1
Erfolglose Erstversorgung des Oberkiefers mit 4 Schraubenimplantaten und Steg; alle Oberkiefer-Implantate wurden entfernt oder fielen von alleine heraus. Sie wurden anschließend durch BOI®-Implantate ersetzt, die bis heute eine funktionstüchtige festsitzende Prothese halten. Vergleichen Sie hierzu Abb. 2 der analysierten Publikation.

Abb. 2a
Für BOI®-Implantate ist eine Knochenanlagerung am vertikalen Implantat-Anteil nicht erforderlich. Entscheidend ist eine stabile bicortikale Abstützung. Der fehlende vertikale Knochen (hier nach Extraktion), kann sich in der Gebrauchsphase des Implantats wieder neu bilden. Es kann also zu einem Knochenwachstum in crestaler Richtung kommen.

Abb. 2b
Für Schraubenimplantate ist hingegen im Regelfall ein unversehrtes Implantatbett erforderlich. Aus diesem Grund muss nach der Extraktion von Zähnen und vor der Versorgung mit Schraubenimplantaten, das Knochenwachstum zunächst abgewartet werden.

Abb. 3
Computertomografie (horizontaler Schnitt) nach basaler trans-sinusaler BOI®-Implantation, 3 Jahre postoperativ.

Abb. 4
Insertion eines BOI®-Implantats in der Region des Eckzahns, unmittelbar nach der Extraktion des Zahnes (Aus: „Principles of BOI®“, ISBN 3-540-21665-0, mit freundlicher Genehmigung des Springer-Verlags, Heidelberg)